Willkommen im Garten der Demokratie
Die erste Stunde der Wurzelwerkstatt: Über Kürbissuppe und Ziegen
Jede Schülerin und Jeder Schüler unserer AG hat eine eigene Antwort auf die Frage, warum Sie oder er sich in der Wurzelwerkstatt engagieren möchte. Während der eine Kürbissuppe liebt und sich reiche Ernten erhofft, gärtnert die andere sehr gerne im Garten der Mama und möchte ihrem Hobby auch in der Schule gerecht werden. Während der eine einfach nur an die frische Luft will, ist eine andere total begeistert von unseren Schulziegen. So viele Wünsche und Ziele. Wie kriegt man die alle unter einen Hut?
Wie wollen wir arbeiten?
Schnell wird klar: Wir brauchen verbindliche Grundsätze, nach denen wir handeln und die Schülerinnen und Schülern merken: Um meine Ziele zu erreichen, muss ich im Garten mitentscheiden. Ich darf auch anderer Meinung sein als die anderen und ich darf mich sogar mal streiten. Wichtig ist, dass wir respektvoll miteinander umgehen und dass am ende ein Kompromiss steht, mit dem ich leben kann. Dazu gehört es natürlich auch im Team zu arbeiten und sich zu unterstützen, statt zu spalten und auszugrenzen. Ganz klar ist: Ich bin nur ein Teil im Garten neben vielen anderen. Und der Garten ist nur ein kleiner Teil der Schule. Den Schülerinnen und Schülern der Wurzelwerkstatt wird klar: Auch wenn ich ganz eigene Interessen habe – es geht nicht nur um mich. Es geht um die Gemeinschaft im Beet und darüber hinaus. Es geht um Naturschutz und die Gemeinde. Es geht um Gesundheit und um Schönheit. und es geht um den Mut mich dafür einzusetzen.
Ein Video entsteht (und eine Igelvilla)
Da trifft es sich doch ausgezeichnet, dass zwei Wochen vor dieser ersten Wurzelstunde der Gärtner Die Nachricht bekommen hat, dass „Influencerinnen und Influencer der Demokratie“ gesucht werden, die ihre Einstellung zur Demokratie und ihren Umgang mit Fakenews in einem Mini Video von neunzig Sekunden darstellen. Die Schülerinnen und Schüler sind begeistert und haben viele Ideen für Szenen, die ihre Gartenarbeit mit dem Thema Demokratie verquicken – einige andere steuert der Gärtner hinzu. Einziger Wermutstropfen: unsere drei Schüler der Primarstufe dürfen bei diesem Wettbewerb nicht mitmachen (Dafür bauen sie in Rekordgeschwindigkeit aus einem Haufen alter Äste das wohl coolste Igelüberwinterungsquartier der Welt – Kuschelteppich aus Alpakawolle inklusive). Alle anderen schauen nochmal übers Storyboard und „Action!“ – denn die Zeit läuft uns davon. Nicht etwa, weil ein solches Video ein ambitioniertes Projekt ist oder weil der Abgabetermin näher rückt – wir haben ein viel drängenderes Problem: Es ist allerhöchste Eisenbahn, die Ernte aus den Beeten zu bekommen. Eine weitere Woche zu warten würde wahrscheinlich Regenwetter, matschige Zucchinis und mehlig schmeckenden Mais bedeuten. Also jetzt oder nie und bitte nur one-Taker und keine Star-Allüren!






Bin ich denn nur von Vollprofis umgeben?
Es ist immer wieder erstaunlich, zu welcher Leistung Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, wenn man ihnen den Raum gibt, ihre Talente zu entfalten. Mit einer unglaublichen Gelassenheit und Freude haben die Schülerinnen und Schüler der Wurzelwerkstatt die einzelnen Szenen abgedreht und dabei scheinbar nebensächlich 5kg Kartoffeln, 10 Zucchinis, Tomaten, Physalis, Mais, Kürbisse, Mangold, Kurkuma, Auberginen und eine Artischocke geerntet. Unsere Nachbarschaftskörbchen im Gemüse-verschenk-Stand waren an diesem Mittag so gefüllt, wie nie zuvor – und der Speicher des Gärtnerhandys ebenso.
Über die Nichternte einer Kiwi und die Ernte einer Fake-Zucchini
In der darauffolgenden woche wurde das bisher abgedrehte Material gesichtet und die Szene über Fakenews mit den Schülerinenn und Schülern des Projektkurses in den Kasten gebracht. Ein schwer zu vermittelndes Thema, das über die Aussage „den Klimawandel gibt es nicht“ in den Fokus gesetzt und diskutiert wurde. Und es gibt ihn doch – bei uns im Schulgarten: So wurde trotz mehrerer gesunder Pflanzen noch nie auch nur eine einzige Kiwi im Schulgarten gesichtet. Ihre Austriebe, die die Blüten enthalten, setzen aufgrund der viel zu milden Temperaturen im Frühjahr so zeitig ein, dass sie von den (natürlichen) Frösten um die Eisheiligen Jahr um Jahr zerstört werden. Uns wird klar: Was hier im Schulgarten passiert, passiert weltweit – mit wesentlich verheerenderen Auswirkungen als Der Nichterne einer Kiwi. Mit den MAterialien von jugendinfo.at widtmen wir uns der „Argumentationshilfe gegen KlimawandelleugnerInnen“ und erfahren, wie wir mit Fakenews wie „menschengemachter Klimawandel liege nur im Trend“ oder sei reine „Panikmache“ umgehen. Wir müssen solchen Unfug erkennen, indem wir sensibel dafür werden. Wir müssen verstehen, wer so etwas behauptet und warum. Wir müssen Verallgemeinerungen hinterfragen und Gegenfragen stellen. wir müssen nachdenken und uns informieren, laut werden und die Welt verändern – oder wie es im Video heißt „Denke nach Primat“. Für diese Glanzleistung sind im übrigen zwei Schüler des Wahlpflichtkurses verantwortlich, die mit Hirnschmalz, Scrabble und einem Anagramm Generator diese Transition hinbekommen haben. Die Ernte Einer Fake Zucchini im Bananen-Outfit war dann der logische Schluss.
Und nach 180 Minuten Wurzelwerkstatt war tatsächlich genug Videomaterial für einen Mini-Film von 90 Sekunden abgedreht. Am Ende steht ein Produkt, auf das alle Beteiligten stolz sind und das unsere Überzeugungen und den Kern der Wurzelwerkstatt transportiert: Engagement für Bildung, Naturschutz und die Gemeinschaft.